Grundsätzlich gibt es zwei Wege, die verfolgt werden sollten, um den durch den Wirecard-Skandal erlittenen Schaden zu minimieren. Zum einen sollte man seine Ansprüche zur Insolvenztabelle anmelden und zum anderen, sofern noch nicht geschehen, noch in diesem Jahr verjährungshemmende Maßnahmen gegen das beratende oder vermittelnde Institut oder gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft („EY“) einleiten.
Anmeldung im Insolvenzverfahren
Aktueller Verfahrensstand im Insolvenzverfahren der Wirecard AG
Der Prüfungstermin wurde auf den 19. Oktober 2023 verschoben und bisher wurden nur wenige Forderungen von Gläubigern (u.a. Banken) durch den Insolvenzverwalter festgestellt.
Rechtliche Herausforderungen im Insolvenzverfahren der Wirecard AG für die AktionärInnen
Problematisch für die Wirecard-AktionärInnen ist in diesem Zusammenhang das Urteil des Landgerichts München I vom 23. November 2022. Es urteilte, dass eine Feststellung der Forderungen der AktionärInnen zur Insolvenztabelle derzeit nicht möglich sei. Dies steht im Widerspruch zu anderslautenden Urteilen des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte bereits in den Jahren 2006 und 2022 die Auffassung vertreten, dass derartige Schadensersatzansprüche nicht nachrangig zu behandeln seien.
Warum in dem Urteil des LG München I (Urteil vom 23.11.2022, Az. 29 O 7754/219) anders entschieden wurde, ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. In den Urteilen des BGH ging es um Genussrechte. Das Landgericht München I behandelt die Wirecard-Aktien anders als Genussrechte. Die Argumentation des Gerichts ist jedoch nicht überzeugend, so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerseite in der nächsten Instanz Erfolg haben wird.
Das Landgericht München I argumentiert unter anderem damit, dass die kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüche an die Aktionärsstellung anknüpfen und daher die insolvenzrechtliche Qualifikation des Finanzinstruments selbst teilen müssen. D.h. die AktionärInnen sind in der Insolvenz nachrangig zu behandeln. Diese Argumentation verkennt zum einen das Risiko des zu teuren Erwerbs der Aktie und dass dieses Risiko in diesem Fall vom allgemeinen Residualrisiko des Aktionärs zu trennen ist. Das Gericht bezeichnet diese Trennung als künstlich. Dabei verkennt das Gericht meines Erachtens, dass diese Aufspaltung vom Gesetzgeber gerade gewollt ist. Der Gesetzgeber hat mit der Einlagenrückgewährregelung im Aktiengesetz den Kapitalerhaltungsschutz bezweckt. Daneben gibt es aber auch kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche. Diese Regelungen stehen nebeneinander und verfolgen unterschiedliche Ziele. Wenn das Gericht dies in seiner Beurteilung nicht berücksichtigt, verkennt es ein wesentliches Recht der geschädigten AktionärInnen.
Darüber hinaus steht die Entscheidung des LG München I auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Hirmann. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, dass die Kapitalerhaltung nach §§ 57, 62 AktG der Geltendmachung von kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüchen gerade nicht entgegenstehen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Aus meiner Sicht bestehen gute Chancen, dass die Entscheidung des LG München I in der nächsten Instanz keinen Bestand haben wird. Ich empfehle daher, die Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden.
Häufig gestellte Fragen
Muss die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren durch einen Rechtsanwalt erfolgen?
Grundsätzlich nicht. Sie können die Anmeldung auch selbst vornehmen.Allerdings ist die Anmeldung zu begründen, was, wie sich aus den obigen Ausführungen zu den rechtlichen Herausforderungen im Insolvenzverfahren ergibt, etwas aufwändiger ist. Zu beachten ist auch, dass eine verjährungshemmende Wirkung der Anmeldung nur bei ausreichender Begründung eintritt, so dass auch dies für die Anmeldung durch einen Rechtsanwalt spricht.
Lohnt es sich, Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden?
Auch wenn eine genaue Bezifferung schwierig ist, wird derzeit eine Quote der Befriedigung von Schadensersatzansprüchen im zweistelligen Prozentbereich diskutiert.
Bis wann kann ich meine Ansprüche im Insolvenzverfahren anmelden?
Der Prüfungstermin findet am 19. Oktober 2023 statt. Bis dahin können noch Forderungen angemeldet werden.
Schadenersatzansprüche geltend machen
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